Frankreich hat seit Jahresbeginn die EU-Ratspräsidentschaft inne und führt damit in den kommenden Monaten die Entwicklungen auf EU-Ebene an. Im Audimax der Universität Passau hat die französische Generalkonsulin Corinne Pereira Frankreichs europäische Vision im Rahmen einer öffentlichen Sonderveranstaltung am 9. März vorgestellt, zu der sich Besucherinnen und Besucher auch online zuschalten konnten.
Die Generalkonsulin ging dabei auf deutsch-französische Differenzen ein, insbesondere im Verständnis von europäischer Souveränität: „Wenn wir davon sprechen, Souveränität von der nationalen auf die europäische Ebene zu verlagern, dann verstehen wir darunter eine Europäische Union, die souverän in der Außenpolitik ist“, stellte sie klar. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte das Projekt eines souveränen Europas angestoßen, das die französische Ratspräsidentschaft als eines von drei Zielen vorantreibt.
Podium mit Reaktionen aus drei Fakultäten
Mit auf dem Podium saßen Professoren der Universität Passau, die jeweils ihre Fachperspektive einbrachten: Aus den Politikwissenschaften war dies Prof. Dr. Daniel Göler, Inhaber des Jean-Monnet-Lehrstuhls für Europäische Politik. Er stellte seinen Beitrag in den Kontext der Situation in der Ukraine und ging auf die Situation auf dem Balkan ein. „Die Erweiterungspolitik ist das erfolgreichste Instrument der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik“, betonte Prof. Dr. Göler.
Aus den Rechtswissenschaften war Prof. Dr. Meinhard Schröder, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europarecht und IT-Recht, dem Podium digital zugeschaltet. Er verwies auf das Rechtsstaatsprinzip, das sowohl von innen als auch von außen bedroht werde, derzeit ganz besonders in Form des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs auf die Ukraine.
Aus den Wirtschaftswissenschaften brachte sich Prof. Dr. Dirk Totzek, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Services, ein. Er stellte die Frage nach der Bedeutung von Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ziele Europas – und nach den Faktoren, die Forscherinnen und Forscher für solche Kooperationen im europäischen Rahmen motivieren.
Europäisches Netzwerken in Passau
Grußworte sprachen Prof. Dr. Ulrich Bartosch, Präsident der Universität Passau, Prof. Dr. Christina Hansen, Vizepräsidentin für Internationales und Diversity, und Passaus Oberbürgermeister Jürgen Dupper, der auf die Städtepartnerschaft mit Cagnes-sur-Mer verwies, die im kommenden Jahr das 50. Jubiläum feiere. Anwesend war auch Dr. Carsten Gerhard, Intendant der Europäischen Wochen. Die Moderation übernahm Axelle Cheney, Geschäftsführerin ad interim des „Science Hub for Europe“ (SHE).
Der Besuch der Generalkonsulin fand im Rahmen eben jenes „Science Hub for Europe“ statt, den die Universität Passau im Januar auf den Weg gebracht hatte. „Die Universität Passau verfolgt eine interdisziplinäre Perspektive auf Europa, die sich mit den Verflechtungen sozialer, ökologischer, ökonomischer, kultureller und politischer Dynamiken in Europa auseinandersetzt. Frankreich nimmt in diesem Dialog als strategischer Partner
der Universität Passau eine herausragende Rolle ein“, erklärte Vizepräsidentin Prof. Dr. Hansen. Bei dem „Science Hub for Europe“ handele es sich um eine neue Struktur, mit der die Universität ihr europäisches Profil weiter schärfen und sich noch stärker in Europa vernetzen will, insbesondere was den Austausch zwischen den Forschenden anbelangt, aber auch hinsichtlich Kooperationen und Fördermöglichkeiten.
Neben der französischen Generalkonsulin zu Gast waren in Passau Prof. Dr. Hervé Martin, Attaché für Wissenschafts- und Hochschulkooperation für Bayern und Baden-Württemberg der Französischen Botschaft in Deutschland, Axel Honsdorf, Geschäftsführer von BayFrance, dem Bayerisch-Französischen Hochschulzentrum an der TU München, und Agathe Guillot, Referentin der französischen Botschaft. Die bayerisch-französischen Gäste ließen sich vor Ort die Sehenswürdigkeiten der Stadt Passau wie das Oberhaus zeigen.
Bayerisch-französischer AI-Cup gestartet
Währenddessen startete im virtuellen Raum ebenfalls ein bayerisches-französisches Aufeinandertreffen in Form eines KI-Wettbewerbs. Am Nachmittag öffnete die Anmeldung zumAI-Cup. Es handelt sich dabei um eine französisch-bayerische Gründungsinitiative Start-up-Wettbewerb, der sich an gründungsinteressierte Studierende und Promovierende mit Expertise im Bereich Data Science richtet. Am Ende der mehrmonatigen Wettbewerbsphase werden im Herbst 2022 acht Gewinnerteams gekürt, die jeweils mit bis zu 95 000 Euro gefördert werden und ein Jahr lang Unterstützung bei der Realisierung ihrer Gründungsvorhaben erhalten. „Mit dem AI-Cup zeigen wir, dass wir fähig sind, französisch-bayerische Synergien zwischen allen Akteuren - politischen Entscheidungspersonen, Führungskräften in der Industrie, Forschenden und jungen Talenten aus Frankreich und Bayern - zu fördern“, freute sich Präsident Bartosch.
Der vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie mit etwa einer Million Euro geförderte Wettbewerb „AI-Cup“ war Ende Oktober 2021 von der französischen und bayerischen Politik ins Leben gerufen worden. In den vergangenen Monaten entwickelte das Organisationsteam – unter der Leitung der Universität Passau auf bayerischer und der École Normale Supérieure de Paris Saclay auf französischer Seite – gemeinsam mit erfahrenen Datenanbietern die Aufgaben, die die Teilnehmenden erfüllen müssen, um ihre Data- Science-Fähigkeiten und ihren Unternehmergeist unter Beweis zu stellen.